„Ich weiß nicht, wo es herkommt. Ich habe keine Erklärung“, sagt die Klientin. „Die Angst war irgendwie schon immer da. Obwohl ich keine schlechte Erfahrung gemacht habe.“
Meine Klientin hat Redeangst und will das endlich in den Griff bekommen. Im Job muss sie häufig präsentieren. Es klappt zwar immer, aber die Anspannung ist schon Tage vorher so hoch, dass sie kaum schlafen kann.
Wir sind auf der Suche nach dem Ursprung ihrer Redeangst. Hat sie was erlebt, das sie eingeschüchtert hat? Sich blamiert? Ist während eines Vortrags etwas Unvorhergesehenes passiert?
Die Antwort ist immer die gleiche: Nein.
Die Klientin ist ratlos. Wieso hat sie Angst vor etwas, das sie gut beherrscht? Wo sie keine schlechten Erfahrungen gemacht hat?
Ich kenne solche Geschichten: Redeangst hat nicht immer einen typischen Auslöser. Die Ursache kann sich so gut tarnen, dass die Angst scheinbar ohne Grund auftritt.
In diesen Fällen gehen wir dem Gefühl auf die Spur, das die Angst im Körper auslöst. Flattern im Bauch, zugeschnürte Kehle, Dröhnen im Kopf – bei jedem ist es anders.
„Feuchte Hände, es rauscht im Kopf“, sagt die Klientin. Ich frage: „Woher kennen Sie dieses Gefühl? Wann hatten sie es zum ersten Mal? An wen erinnert sie das“?
Es dauert ein bisschen, wir tasten uns vor. Dann sagt sie: „Mir fällt was ein! Aber es hat nichts mit Reden zu tun.“
Es geht um eine Situation, in der sie als kleines Kind mit ihrer Mutter beim Einkaufen nach Ware gegriffen hatte. Unvermittelt und vor anderen Leuten wurde sie deswegen von der Verkäuferin angeschnauzt.
Der Klientin ist damals das Herz in die Hose gerutscht. Sie fühlte sich wie auf dem Präsentierteller, alle Augen auf sie gerichtet. Feuchte Hände, Rauschen im Kopf.
Bingo. Jahrelang hatte sie nicht daran gedacht. Aus heutiger Sicht ein doofes Erlebnis, aber kein Drama. Mit Reden hat es überhaupt nichts zu tun. Kann das wirklich der Auslöser gewesen sein?
Es kann.
Indem wir Angst bekommen, versucht unser Unterbewusstsein uns zu schützen. Damit wir Situationen meiden, die denen ähneln, in denen wir - tatsächlich oder vermeintlich - bedroht wurden.
Beim Präsentieren steht die Klientin im Rampenlicht, die Augen des Publikums richten sich auf sie. Vielleicht war das die Parallele zu damals. Jedenfalls haben wir den Auslöser gefunden: Den Ursprung des Gefühls, das sie überkommt, wenn sie präsentieren muss.
Ein Ereignis, mit dem wir nun arbeiten: Wir neutralisieren alle negativen Gefühle im Zusammenhang mit der Situation auf dem Markt, bis die Erinnerung daran keine unangenehmen Empfindungen mehr bei ihr auslöst.
Am Ende ist auch die Redeangst verschwunden, was ungläubiges Staunen bei der Klientin auslöst: „Ich hätte nie damit gerechnet, dass das die Ursache sein könnte!
Mit dem Verstand können wir oft nicht nachvollziehen, welche Zusammenhänge unser Unterbewusstsein herstellt. Trotzdem gibt es Wege, die Ursachen eines Problems zu erforschen und zu erkennen.
Wenn wir die Gründe kennen, warum wir vor etwas Angst haben, können wir uns und unsere Reaktionen besser verstehen. Und wir können die Gründe beseitigen - und beseitigen damit auch die Angst.
Leiden Sie auch unter Redeangst und möchten sich Unterstützung holen? Ich helfe Ihnen gern. Melden Sie sich jederzeit bei Fragen oder Terminwünschen!